Sicherheitsbedenkenreduktion

In meiner Kolumne für das Factory-Magazin beschäftige ich mich mit dem für Industrieunternehmen zunehmend relevanten Thema Security: https://factorynet.at/menschen/trauen-sie-keiner-software-die-sie-selbst-nicht-hacken-koennen/

Trauen Sie keiner Software, die Sie selbst nicht hacken können!

Man solle keiner Statistik trauen, die man nicht selbst gefälscht hat. So lautet eine beliebte Redewendung. Für Außenstehende ist eine Statistik oft eine Blackbox, der man nicht ganz traut. Dem kann man entgegenwirken, z.B. durch Quellenangaben oder durch Einblicke in die Datenbasis. Das schafft Vertrauen. Ähnlich verhält es sich bei Software im Industrie-Einsatz.

Vertrauen ist gut…

Wann verlassen Sie sich auf eine Software? Wird eine Software z.B. von Lieferanten, Kundinnen oder Partnern empfohlen, dann ist das zumeist vertrauensstärkend. Auch Lösungen, die global verbreitet oder bei vielen Unternehmen im Einsatz sind, wird häufig vertraut.

Die breite Nutzung einer Software garantiert jedoch nicht deren Sicherheit. Sicherheitslücken sind auch bei großen Lösungsanbietern keine Seltenheit, wie z.B. der Angriff auf die Firma SolarWinds 2020 zeigte. Auch fehlerhafte Software-Updates können gravierende Probleme verursachen, wie z.B. beim jüngsten Ausfall der EDR-Lösung der Firma Crowdstrike. Viele Nutzerinnen schützen also noch nicht vor Ausfällen oder Schäden.

… Kontrolle besser…

Proprietären Software-Lösungen wird häufig ihre Intransparenz als Sicherheitsdefizit vorgeworfen. Ist der Code einer Software eine Blackbox, dann lässt sich nicht kontrollieren, ob Sicherheitslücken vorhanden sind. Von „Security through obscurity“ raten Security-Experten zumeist ab.

Abhilfe schafft Open Source Software. Der transparente Quellcode einer Software kann dabei helfen, potenzielle Sicherheitslücken schnell zu entdecken und zu schließen. Theoretisch können die eigenen Entwicklerinnen sich selbstständig auf die Fehlersuche begeben und zur Sicherheit der Software beitragen.

In der Praxis ist das aber häufig nicht der Fall. Allzu oft wird die Sicherheit zentraler IT-Infrastruktur durch ehrenamtlich arbeitende Einzelpersonen auf Selbstausbeuterbasis aufrechterhalten. Das kann große Probleme verursachen. Anfang des Jahres wurde z.B. in der Software XZ Utils eine potenziell äußerst gefährliche Hintertür nur durch Zufall entdeckt und geschlossen. Offener Quellcode schützt demnach auch nicht vollständig vor Ausfällen oder Schäden.

… professionelle Validierung und vielfaches Testen am besten.

Gerade in der Produktion wird die Sicherheit von Software in Zeiten vernetzter Fabriken und verschmelzender IT-/OT-Systeme immer wesentlicher. Was kann man also abseits der Anbieterwahl und der Einforderung von Quellcode-Transparenz tun, wenn man möglichst sichere Software einsetzen möchte?

Eine Möglichkeit bieten Normen und Standards. In der Automobilindustrie spielen z.B. die Norm ISO/SAE 21434 oder der TISAX-Standard wichtige Rollen. Durch deren Einhaltung bzw. entsprechende Zertifizierungen können Software-Anbieterinnen Vertrauen schaffen. Standards und bekannte Bedrohungen können auch mit entsprechender Software schon im Produktdesign berücksichtigt werden. Die steirische AVL setzt dabei z.B. auf die ThreatGet-Software, die u.a. vom österreichischen AIT entwickelt wurde.

Darüber hinaus kann die Resilienz einer Software durch die gezielte Schaffung von Extremsituationen und durch darauf aufbauende Anpassungen erhöht werden. Die von Netflix entwickelte Open Source Software Chaos Monkey hilft z.B. genau dabei. Das Prinzip dahinter: gezielte Sabotage zur Erhöhung der Sicherheit. Diese Vorgehensweise empfiehlt auch der renommierte Security-Experte Bruce Schneier.

Schneier wiederum ist namensgebend für „Schneier’s Law“ – einen Merksatz, der auch für produzierende Unternehmen im Zusammenhang mit Software und Vertrauen gilt: Jeder kann ein Sicherheitssystem entwickeln, das so durchdacht ist, dass man selbst sich nicht vorstellen kann, wie man es zerstören könnte.

Regionaldigitalisierung

Gemeinsam mit den Wirtschafts- und Standortagenturen der österreichischen Bundesländer erstelle ich in meiner beruflichen Funktion regelmäßig Steckbriefe, die die österreichische Angebote zu Digitalisierung & Industrie 4.0 auf regionaler Ebene zusammenfassen. Die Steckbriefe beinhalten u.a. Informationen zu Ansprechpersonen, Förderungen, Kompetenzzentren oder Flagship-Projekten.

Seit kurzem ist die 11. Version der Steckbriefe online: https://plattformindustrie40.at/blog/2024/09/03/digitalisierung-und-industrie-4-0-in-oesterreichs-regionen/

Outsourcingkonsequenzen

In meiner Kolumne für das Factory-Magazin schreibe ich über die „digitale Fertigungstiefe“ in der Produktion: https://factorynet.at/menschen/outsourcing-die-digitale-fertigungstiefe-als-strategische-entscheidung/

Outsourcing: die digitale Fertigungstiefe als strategische Entscheidung

„Pfusch am Bau“ ist eine beliebte Fernsehsendung. Im Mittelpunkt stehen Probleme beim Hausbau, rund um Wasser in der Wand, minderwertige Materialien etc. Quelle der Versäumnisse sind häufig scheinbar günstige (Sub-)Unternehmen, die an der falschen Stelle sparen und Häuslbauer, die das nicht beurteilen können.

Immer wieder: Make-or-Buy?

Selber machen oder externe Leistungen zukaufen? Diese Frage beschäftigt nicht nur österreichische Häuslbauer. Die Suche nach der richtigen Balance aus eigenem und zugekauftem Knowhow findet sich in der Industrie im Konzept der Fertigungstiefe. Sie misst den Anteil der Eigenfertigung am gesamten Produktionsprozess.

Produzierende Unternehmen müssen laufend und strategisch entscheiden, wie hoch die eigene Fertigungstiefe sein soll. Dabei gibt es kein eindeutiges Richtig oder Falsch. Industrieunternehmen, die viel selbst fertigen, sind in wirtschaftlich schwierigen Zeiten oft resilienter. Solche, die viel outsourcen, sind oft flexibler. Die Tatsache, dass die OEMs der Automobilindustrie ihre Fertigungstiefe reduzierten, bildet die Grundlage für die wichtige österreichische Zulieferindustrie.

Mit der Plattform Industrie 4.0 haben wir kürzlich eine Roadmap veröffentlicht, in der u.a. die Wichtigkeit des Domänenwissens am Industriestandort Österreich betont wird. Damit gemeint ist das betriebsinterne Wissen zur Herstellung von Produkten und zu Produktionsprozessen. Ist die Fertigungstiefe in einem Bereich besonders ausgeprägt, dann ist zumeist auch viel spezifisches Domänenwissen vorhanden – Betriebe haben in der Folge ein Alleinstellungsmerkmal.

Outsourcing im OT- und IT-Bereich

Wie sieht die Situation rund um Industrie 4.0 aus? Steuerungen, Sensoren, digitale Messtechnik, Roboter, AGVs etc. – sie sind aus der Produktion, dem OT-Bereich, nicht mehr wegzudenken. Viele österreichische Firmen haben daher beschlossen, solche Systeme selbst herzustellen und als Produkte anzubieten. Zwei Beispiele: die Anlagenbauer von Andritz bieten selbst Automatisierungslösungen an, der Automatisierungsspezialist Beckhoff entwickelt in Wien seit kurzem eigene Roboter.

Auch Datenbanken, digitale Zwillinge oder innovative Softwarelösungen sind in der Produktion weit verbreitet. Und auch im IT-Bereich gibt es produzierende Unternehmen, die selbst weitgehende Lösungen entwickeln, z.B. die steirische AVL in der Automobilindustrie.

Aktuell beschäftigt die Frage nach der „digitalen Fertigungstiefe“ zahlreiche Firmen im Bereich der IT-Infrastruktur. Hybride Cloudumgebungen – eine Mischung aus eigenem Rechenzentrum und öffentlicher Cloud – verbreiten sich zunehmend. Vorteilen wie der Skalierbarkeit oder der Verfügbarkeit öffentlicher Cloud-Systeme stehen Security-Fragen oder einseitige Abhängigkeiten gegenüber. Dabei gilt wie immer: nicht alles, was glänzt, ist Gold. „Serverless Computing“ funktioniert nicht ohne Server und Kostenvorteile können sich umkehren, wie das Beispiel des IT-Unternehmens Basecamp zeigt.

In jedem Fall: Kompetenz benötigt

Gerade wenn es darum geht, das vorhandene Domänenwissen mit IT-Knowhow anzureichern und auszubauen, ist der Aufbau entsprechender Teams notwendig. Das betrifft heute z.B. das Thema der praktisch sinnvollen Datennutzung oder den zunehmend wichtigen Bereich der IT-Sicherheit. Eigene, kompetente IT-Mitarbeiter:innen sind selbst dann notwendig, wenn externe Expertise zugekauft wird.

Natürlich gilt auch im digitalen Raum, dass es per se kein Richtig oder Falsch rund um Outsourcing gibt. Es gilt jedoch: trotz Auslagerung braucht die Industrie das Knowhow, um die Steuerung ihrer Auftragnehmer und die Qualitätskontrolle sicherzustellen. Pfusch ist nicht nur am Bau langfristig teuer.

Verwaltungsverbesserungsambitionen

Mit unserer „Initiative Bessere Verwaltung“ haben wir den österreichischen Parteien Fragen zur Entpolitisierung der Bundesverwaltung geschickt. Nun haben wir die Antworten bekommen und zusammengefasst.

Mediale Berichte dazu finden sich z.B. in der Presse, der Kleinen Zeitung, in den Salzburger Nachrichten oder in der Neuen Vorarlberger Tageszeitung.

Wir brauchen Smartphone-freie Schulen und ein Verbot sozialer Medien für Kinder!

Manchmal hat man in Österreich das Gefühl, dass Digitalisierung als Naturgewalt wahrgenommen wird, die unaufhaltsam über uns hereinbricht. Das ist falsch, denn alles Digitale ist menschgemacht und Menschen halten sich zumeist an Gesetze oder gesellschaftliche Normen.

Trotzdem diskutieren wir nur selten darüber, wie wir Digitalisierung gestalten möchten. Häufig landet man beim „der Zug ist abgefahren“-Argument: Tun Smartphones Kindern gut? Sollten 10-Jährige Accounts bei sozialen Medien haben? Wollen wir, dass unser Verhalten permanent dokumentiert und für Werbung verwendet wird? Wer solche Fragen stellt, der hört schnell, dass man da nichts machen könne – Zuckerberg, Cook & Co. seien schließlich weit weg, man müsse lernen, die neuen Gegebenheiten zu akzeptieren.

In den USA, in Großbritannien und in immer mehr Teilen der Welt sieht man das zunehmend anders. Derzeit diskutiert man in Übersee intensiv das neue Buch („The Anxious Generation“) des amerikanischen Psychologieprofessors Jonathan Haidt. Seine Kernthesen: Soziale Medien und Smartphones haben global Kindheiten zum Schlechten verändert. Sie sind eine Ursache für Angststörungen und Depressionen. Sie reduzieren die Konzentrationsfähigkeit von Jugendlichen. Sie senken das Selbstbewusstsein junger Mädchen, Burschen kapseln sich vermehrt von ihrer Umgebung ab und verlieren den Anschluss.

In der Kindheit entstehen Werte, Weltbilder und Interessen. Es entstehen lebenslange Freundschaften und Leidenschaften, z.B. für Sport oder Musik. Kinder lernen noch akzentfrei Sprachen, auch Dialekte – ihnen gelingt die gesellschaftliche Integration am leichtesten. Haidt argumentiert, dass Smartphones und soziale Medien Kinder zwischen 9 und 15 vor allem negativ prägen. Werbefinanzierte Influencer ersetzen lokale Vorbilder, vom Glücksspiel inspirierte Apps ersetzen Hobbies und physische Aktivitäten mit Freundinnen und Freunden.

Haidt fordert daher ein Verbot sozialer Medien mit ihren aufwühlenden und Aufmerksamkeit dominierenden Algorithmen für unter 16-Jährige, ein Verbot von Smartphones bis zum Ende der Mittelschule und Smartphone-freie Schulen.

Haidts Thesen sind nicht unumstritten, seine Forderungen werden aber intensiv diskutiert: In Florida gibt es einen Gesetzesvorschlag zum Verbot sozialer Medien, in Großbritannien fordern 75.000 Eltern ein Smartphone-Verbot, jeweils für Unter-16-Jährige. In Frankreich arbeitet man an einem gesetzlichen Mindestalter für Social Media. Neuseeland verbietet seit kurzem Smartphones in Schulen. Vielerorts handelt die Politik bereits oder wird, insbesondere von Eltern, vermehrt dazu aufgefordert.

Auch österreichische Eltern sind konstant damit konfrontiert, einen passenden Umgang mit Technologie zu finden. Kritiker argumentieren, dass Eltern selbst entscheiden sollen, wann ihre Kinder Smartphones bekommen oder auf sozialen Medien aktiv werden dürfen. Kinder wollen aber, was andere haben – ein Smartphone oder Accounts für soziale Medien werden früh zu absoluten Wunschobjekten. Geben einzelne Eltern aus verständlichen Gründen nach, dann entsteht massiver sozialer Druck für andere. So landen wir in einer belastenden Situation für zahlreiche Eltern, potenziell zum Nachteil vieler Kinder. Es liegt ein soziales Dilemma vor. Für dessen Lösung braucht es die Politik. Das ist eine Frage des Kinderschutzes.

Wir sollten Verbote für Smartphones und soziale Medien sowie Smartphone-freie Schulen politisch diskutieren. Die österreichischen Parteien sollten das Thema aufgreifen, man könnte auch einen Bürgerrat zur gemeinsamen Entscheidungsfindung einberufen. Es gibt in Österreich Schulen, die Smartphones in den Klassen und auch Pausen verbieten, Lehrwerkstätten, in denen sie tabu sind. Hier sollte die Politik unterstützen – z.B. durch evaluierbare Pilotprojekte, konkret auch durch die Anschaffung von Smartphone-Spinds. Die Politik sollte auch untersuchen lassen, wie eine Datenschutz-konforme Altersüberprüfung für soziale Medien aussehen kann – wir verfügen über europaweit angesehene Experten zu Datenschutz und Privatsphäre, die mit Sicherheit bereit wären, ihre Expertise beizusteuern.

Es geht nicht darum, die Digitalisierung aufzuhalten. Sie vereinfacht vielfach unser Leben, unsere Wirtschaft bleibt mit ihr wettbewerbsfähig. Es geht auch nicht darum, Technologie aus dem Leben unserer Kinder zu verbannen – Laptops im Wohnzimmer, digitaler Kompetenzaufbau im Schulunterricht und das Ansehen von Videos sind anders zu bewerten als omnipräsente Smartphones und die Erstellung personalisierter Profile. Es geht darum, zu entscheiden, welche Aspekte der Digitalisierung wir als Gesellschaft für unsere Kinder wollen – und welche nicht. Diskutieren wir das im Wahlkampf-Jahr 2024!

zuerst veröffentlicht auf falter.at

Foto von charlesdeluvio auf Unsplash

Wikipediarelevanz

In meiner Kolumne für das Factory-Magazin schreibe ich über Wikipedia und die Industrie: https://factorynet.at/menschen/die-bedeutung-von-wikipedia-fuer-die-produktion/

Von der Bedeutung der Wikipedia für die Produktion

Eine Jugendliche in der Steiermark sucht eine Lehrstelle bei innovativen Betrieben in der Region. Ein Einkäufer in Zentralasien recherchiert zu Anlagenbauern für nachhaltige Produktionsverfahren. Eine Wissenschaftlerin in Spanien sucht nach potenziellen Forschungspartnern in ihrem Bereich. Für ihre Anfragen nutzen sie Suchmaschinen, Sprachassistenten oder KI-gestützte Chatbots.

Bestmögliche Antworten zu liefern ist das Verkaufsargument dieser digitalen Werkzeuge, die Auswahl der für die Antworten benötigten Informationen ihre Kernkompetenz. Vertrauenswürdige Informationen zu finden, stellt heute eine zunehmende Herausforderung dar. Worauf stützen sich also die Ergebnisse von Google, Siri oder ChatGPT?

Die Wikipedia als Fundament digitalen Vertrauens

Im Detail wissen wir nicht, wie Suchergebnisse zustande kommen – das ist das wohlgehütete Geschäftsgeheimnis großer Technologieunternehmen. Einige Eckpfeiler sind aber bekannt: Als vertrauensvolle Quellen gelten wissenschaftliche Einrichtungen, etablierte Medien oder demokratisch legitimierte Institutionen, in Österreich z.B. Webseiten mit gv.at-Endung. Eine weitere zentrale Informationsbasis für die genannten Dienste: die Wikipedia.

Während die Idee eines Online-Lexikons, das von jedem Menschen bearbeitet werden kann, in den frühen 2000er Jahren noch als abstrus abgetan wurde, hat sich die Wikipedia mit der Ausbreitung des Internets professionalisiert und als Fundament digitalen Vertrauens etabliert. Die Inhalte der Enzyklopädie, die permanent von einer offenen und aktiven Gemeinschaft kontrolliert werden, gelten heute als der gemeinsame Informationsnenner der digitalen Gesellschaft. Wikipedia-Artikel bilden daher die Grundlage moderner Dienste, z.B. die Google Infobox oder zahlreiche KI-Modelle.

Wieso sollte das  die österreichische Produktion interessieren?

Österreichs produzierende Betriebe und die produktionsnahen Forschungseinrichtungen genießen einen sehr guten Ruf. Viele von ihnen sind innovativ und spezialisiert, werden oft als „Hidden Champions“ bezeichnet. In Österreich gibt es viele Organisationen, die über weltweit gefragtes, durch Patente oder wissenschaftliche Publikationen bestätigtes, Fachwissen verfügen. Dieses kann z.B. spezifische Produktkategorien, Produktionsverfahren oder internationale Standards betreffen.

Solche Unternehmen oder Einrichtungen und ihr Spezialwissen können für eine Enzyklopädie wie die Wikipedia relevant sein. Häufig sind diese dort aber nicht oder nur sehr unzufriedenstellend auffindbar – die Jugendliche, der Einkäufer oder die Wissenschaftlerin werden dann höchstwahrscheinlich bei ihren Suchanfragen nicht darauf hingewiesen. So entgehen österreichischen Institutionen potenzielle Fachkräfte, Kund:innen oder Partnerschaften.

Kein Ort für Eigenwerbung und Marketing-Sprech

Falls Sie nun den Impuls verspüren, Ihre Kommunikationsabteilung mit einer neuen Aufgabe zu betrauen: seien Sie vorsichtig. Das Vertrauen, das die Wikipedia genießt, kommt nicht von ungefähr. Für die korrekte Erstellung und Bearbeitung von Wikipedia-Artikeln gibt es ein äußerst umfangreiches Regelwerk, das – zum Glück! – zumeist sehr genau eingehalten wird.

Nur eine kleine Zahl von Informationen ist für die Wikipedia geeignet. Wann ein Unternehmen einen eigenen Eintrag haben kann, ist klar definiert. Für Quellenangaben gelten in der Wikipedia strikte Kriterien, Ihre Firmenwebseite ist z.B. keine geeignete Informationsbasis für Wikipedia-Artikel. Im Marketing übliche Formulierungen, z.B. ausschmückende Adjektive oder das Wort „Hidden Champion“, haben in der Wikipedia keinen Platz. Der Versuch der Eigenwerbung wird strikt und öffentlich einsehbar geahndet, bezahltes Schreiben – dazu gehört auch das Bearbeiten von Artikeln in der Arbeitszeit – ist nur unter Einhaltung strenger Regeln erlaubt.

Für viele Unternehmen oder Forschungseinrichtungen kann die Arbeit mit der Wikipedia dennoch interessant sein. Dabei geht es nicht nur um das Sichtbarmachen von Kompetenz oder Relevanz. Es geht auch darum, in Zeiten zunehmender Fehl- und Desinformationen zu einer demokratischen Informationsbasis unserer Gesellschaft beizutragen. Dabei kann und sollte man ganz klein anfangen – machen Sie mit!

Künstliche Vertrauensfragen

Der Security- und Kryptographie-Experte Bruce Schneier hat in einem Vortrag an der Harvard Kennedy School die Wichtigkeit von Vertrauen in Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz erörtert. Meine Zusammenfassung:

Vertrauen ist die Grundlage für eine funktionierende Gesellschaft. Es gibt zwei verschiedene Arten von Vertrauen, zwischenmenschliches und soziales Vertrauen.

  • Zwischenmenschliches Vertrauen basiert auf der Beziehung zwischen Menschen, die sich kennen.
  • Soziales Vertrauen basiert auf Moral, Reputation, Gesetzen und Security-Technologien – diese schränken unser Verhalten ein und machen es vertrauenswürdig. Gesetze und Technologien sorgen für ein höheres soziales Vertrauen und sind skalierbar. Je komplexer eine Gesellschaft, desto wichtiger sind Gesetze und Technologien aufgrund ihrer Skalierbarkeit.

Zwischenmenschliches und soziales Vertrauen werden gerne verwechselt. Das passiert häufig in Zusammenhang mit Unternehmen, die wir oft als „Personen“ wahrnehmen, z.B. bei Marken, Social Media Accounts, Maskottchen etc. Die Verwechslung der zwei Vertrauensarten wird durch KI zunehmen.

KI-Systeme werden als menschlich wahrgenommen, obwohl sie nur Dienstleistungen sind. Im Optimalfall sind diese Dienstleistungen hilfreich, wahrscheinlicher ist aber, dass KI-Systeme ihre Nutzer:innen ausspionieren und manipulieren wollen. Überwachung und Manipulation sind schließlich das Geschäftsmodell des Internets.

KI wird so entwickelt werden, dass sie möglichst vertrauenserweckend wirkt. Dadurch wird die Verwechslungsgefahr zwischen zwischenmenschlichem und sozialen Vertrauen erhöht. Das ist so gewollt, denn es ist lukrativ und das menschliche Antlitz der KI verschleiert den einseitigen Einfluss der Unternehmen, die die KI betreiben.

Unternehmen werden die durch die Verwechslung von zwischenmenschlichem mit sozialem Vertrauen entstandene Verwirrung für ihren wirtschaftlichen Erfolg nutzen. Das tun sie auch heute schon, aber rund um KI wird dies zunehmen, denn die Verwendung natürlicher Sprache durch KI wird noch schneller scheinbares zwischenmenschliches Vertrauen kreieren. Außerdem werden mit Daten angereicherte digitale Assistent:innen eine größere Intimität ermöglichen.

Die negativen Konsequenzen dieser Verwechselung können sehr unterschiedlich sein – von versteckter Ausnutzung, über Falschinformationen bis hin zu illegalen Aktivitäten. Deswegen braucht es vertrauenswürdige KI – KI, deren Limitationen man kennt, deren Training man versteht, deren Biases man sich bewusst ist und korrigieren kann, deren Ziele man kennt.

Vertrauenswürdige KI kann nur durch politische Regularien entstehen. Regierungen müssen für Vertrauen in der Gesellschaft sorgen, sie müssen daher durch Regulierung das richtige Umfeld für vertrauenswürdige KI schaffen. Dazu gehören Transparenzgesetze (wann wird KI eingesetzt, wie wird sie trainiert, welche Biases und Tendenzen gibt es), Sicherheitsbestimmungen (wann darf KI eingesetzt werden) und Strafen.

Regulierung muss die KI-kontrollierenden und -nutzenden Unternehmen betreffen, nicht die KI selbst. Am Ende gibt es derzeit noch für jeden KI-Einsatz Menschen, die diesen steuern und dafür verantwortlich sind. Eine Daten-Treuhänderschaft mit zusätzlichen Verpflichtungen kann für generative KI ein wichtiges Instrument sein. Außerdem braucht es „public AI models„, die von der und für die Öffentlichkeit entwicklt werden.

Regierungen müssen rund um KI soziales Vertrauen schaffen:

We can never make AI into our friends. But we can make them into trustworthy services—agents and not double agents. But only if government mandates it. We can put limits on surveillance capitalism. But only if government mandates it.

Der Glaube an Österreich ist notwendig – und braucht mehr als eine Kampagne

Österreich ist eine Gemeinschaft. Unser Staat verbindet die Vorarlberger Akademikerin mit dem Kärntner Pensionisten, den Verkäufer aus Wien mit der steirischen Industriellen. Das Gemeinschaftsgefühl ist die Grundlage für jede Demokratie, es rechtfertigt Steuern, Ausgaben für die Landesverteidigung, den Sozialstaat oder Investitionen in die gemeinsame Infrastruktur.

Gemeinschaft setzt den Austausch miteinander voraus. In Österreich, wie auch in anderen westlichen Demokratien, erleben wir aber seit Jahren den Rückzug ins Individuelle: der Pool im Garten wird gegenüber dem Freibad, der eigene Beamer gegenüber dem Kinobesuch bevorzugt. Der Stammtisch wird durch soziale Medien mit ihren Filterblasen ersetzt. Weniger gesellschaftliche Interaktion bedroht den Gemeinschaftssinn.

Das Lösen großer Herausforderungen setzt Gemeinschaft voraus

Was dem einzelnen nicht möglich ist, das vermögen viele.“ – das Friedrich Wilhelm Raiffeisen zugeschriebene Zitat gilt auch für die großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit.

Egal ob Maßnahmen zum Klimaschutz, zum Erhalt unserer Industrie oder zur Regulierung digitaler Plattformen – sie alle setzen die gemeinsame Bereitschaft für Veränderungen zum Wohle der Gemeinschaft voraus. In anderen Worten: weniger Flugreisen oder Neubauten, höhere Preise für Elektronik aus Fernost oder der Rückzug einer App vom österreichischen Markt erfordern kollektive Zugeständnisse. Solche Herausforderungen bewältigt eine Gesellschaft nur, wenn die Bevölkerung dahintersteht. Ohne Vertrauen in die Gemeinschaft Österreich sind sie nicht lösbar.

Das Vertrauen in die Gemeinschaft wird konterkariert, wenn man das Gefühl hat, dass andere es sich richten. Postenschacher und intransparente Studienvergaben, Umwidmungsgewinne öffentlicher Amtsinhaber und fragwürdige Lobbying-Aktivitäten ehemaliger Spitzenpolitiker – sie schwächen den Glauben an Österreich.

Notwendige Ehrlichkeit und offene Diskussion

Österreich hat die verschiedenen Krisen der letzten Jahre überstanden, dennoch leidet unsere langfristige gesellschaftliche und wirtschaftliche Substanz. Die Politik wird sich demnächst einer Vielzahl großer Fragen stellen müssen, darunter: Wie gelingt es uns, Wohnraum zu schaffen, ohne permanent neue Böden zu versiegeln? Wie garantieren wir die Versorgungssicherheit nach der Pensionierung der Babyboomer? Wie schaffen wir es, Arbeit in unserem Steuersystem signifikant zu entlasten? Wie gelingt es uns, Migration human zu regulieren und Menschen aus anderen Kulturkreisen nachhaltig zu integrieren? Wie können wir die Vorteile der Digitalisierung ohne langfristige Abhängigkeiten nutzen? Welche Kompromisse sind notwendig, um innerhalb der EU nationale Alleingänge zu verhindern?

Die Beantwortung solcher Fragen erfordert einen offenen Austausch, wechselseitige Zugeständnisse und das Eingeständnis, dass inhaltliche und personelle Entscheidungen manchmal Fehler waren und Veränderungen erfordern. Allen voran braucht es politischen Mut und Ehrlichkeit, Partikularinteressen und Klientelpolitik müssen hintangestellt werden. Für manche wird das unangenehm, für viele aber erleichternd sein und eines stärken: den Glauben an Österreich.

Bild zum Blogpost: (c) Wikimedia Commons user: Ikonact, Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International license; black white filter applied

Verwaltungsverbesserungsbeteiligung

Vor einem halben Jahr haben wir mit der „Initiative Bessere Verwaltung“ 50 Vorschläge für eine Verbesserung der österreichischen Bundesverwaltung veröffentlicht.

Diese Vorschläge diskutieren wir nun in einem partizipativen Prozess über die Plattform eComitee – Interessierte können sich über den Link unten registrieren und anschließend ihre Ergänzungen, Kommentare und eigenen Ideen einbringen.

Ich freue mich, wenn sich auch Menschen aus meinem Umfeld beteiligen 😊

https://ecomitee.com/registration/discussion/5r8jUgQSSamKbfWJg2Gv71ZzwdbSzt

Fediverseentwicklungsmaßnahmen

Ich habe einen Leserbrief zum Fediverse und zu sozialen Netzwerken geschrieben:

https://www.derstandard.at/story/3000000177076/oesterreich-braucht-eine-resiliente-digital-soziale-infrastruktur


Österreich braucht eine resiliente digital-soziale Infrastruktur

Im digital wenig affinen Österreich beachten Medien oft nur selten die Online-Plattform Reddit. Das ist schade, denn dort herrscht ein reger Austausch. In der r/Austria-Gruppe unterhalten sich zum Beispiel über 430.000 Nutzerinnen und Nutzer laufend zu allem, was unser Land betrifft, von Schnitzel und Gis-Gebühren bis hin zu arbeitsrechtlichen Fragen, Inflation oder Innenpolitik. Ehrenamtliche Moderatorinnen und Moderatoren sorgen für Grundregeln und eine intakte Diskussionskultur.

Mitte Juni war eine Diskussion kurzfristig nicht mehr möglich. Aufgrund des „Reddit Blackouts“ waren über 7.000 Reddit-Gruppen, darunter auch r/Austria, nicht erreichbar. Gemeinsam protestierte man gegen Änderungen, die das Unternehmen Reddit Inc. im Zuge seines Börsengangs umsetzen möchte. In vielen Gruppen dauert der Protest weiter an. So ist zum Beispiel die Reddit-Gruppe r/Wien bis auf weiteres nicht erreichbar – mehr als 105.000 Menschen können sich derzeit nicht zu Themen mit Wien-Bezug austauschen.

Digitaler Austausch und Vernetzung in Österreich

Die digitale Organisation österreichischer Gruppen geht mittlerweile weit über technikaffine Millennials und die Bundeshauptstadt hinaus. So vernetzen sich zum Beispiel in der Facebook-Gruppe „Wolfsberger helfen Wolfsbergern“ mehr als 13.000 Bewohnerinnen und Bewohner eines Kärntner Bezirks, in der „Stillecke 2.0“ bekommen 60.000 Mütter Ratschläge für das Stillen ihrer Kinder.

In unserer (digitalen) Welt sind solche Gruppen von großer Bedeutung, sie stärken den Zusammenhalt und sind zunehmend wichtig für das österreichische Sozialleben. Dieser an Relevanz gewinnende Baustein unserer Gesellschaft, unsere digital-soziale Infrastruktur, benötigt mehr Aufmerksamkeit. Wie andere Infrastrukturen sollte auch sie möglichst resilient und widerstandsfähig sein.

Das Beispiel Reddit zeigt aber leider, dass dem nicht so ist. Die Entscheidungen eines US-Unternehmens drohen zur Auflösung gewachsener österreichischer Strukturen zu führen. An anderer Stelle ist die Lage nicht besser: Unternehmen wie Meta, zu dem Facebook und WhatsApp gehören, oder Twitter sind nicht dafür bekannt, bei ihren Entscheidungen die Konsequenzen für auf den Plattformen vernetzte Gruppen proaktiv zu berücksichtigen. Deren wesentliche Entscheidungsträger üben sich stattdessen in beidseitigem Macho-Gehabe.

Alternative Fediverse

Wie kann sich diese Situation verändern? Die Antwort als Kurzfassung: durch das Fediverse. Unter dem Begriff Fediverse werden verschiedene Anwendungen zusammengefasst, die auf einem offenen Kommunikationsprotokoll, die auf dem offenen technischen Standard „AcitivtyPub“ basieren und dezentrale Alternativen zu bestehenden Plattformen bieten. Die bekannteste Anwendung im Fediverse ist die Twitter-Alternative Mastodon.

Mastodon und die verschiedenen Anwendungen im Fediverse sind (noch) nicht perfekt. Sie sind zumeist nicht so weit verbreitet oder bedienungsfreundlich wie proprietäre Lösungen. Als Open-Source-Software werden die Anwendungen aber von einer globalen Gemeinschaft laufend weiterentwickelt. Die Möglichkeit, global angebundene, aber lokal betriebene Ableger (Instanzen) zu schaffen, garantiert die Unabhängigkeit einzelner Gruppierungen.

Politische Maßnahmen zur Resilienzsteigerung

Lokale Instanzen erfordern finanzielle Mittel und die notwendigen Kompetenzen für ihren Aufbau und Betrieb. An dieser Stelle ergibt sich ein Handlungsfeld für die österreichische Politik. Mit einer Fediverse-Förderung könnte man zum Beispiel Vereine oder Gruppen dabei unterstützen, Fediverse-Instanzen zu schaffen und mit ihren Gemeinschaften den Umzug in das Fediverse zu vollziehen.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Einerseits könnte eine langfristig stabile und unabhängige digital-soziale Infrastruktur geschaffen werden, die einen demokratischen Mehrwert stiftet. Andererseits könnte eine solche Förderung an eine österreichischen Gesetzen entsprechende Moderation geknüpft und so Hass im Netz vorgebeugt werden. Ganz abgesehen davon könnte der Betrieb einer Fediverse-Instanz zum Aufbau digitaler Kompetenzen an ungeahnter Stelle führen und für umtriebige lokale Akteurinnen und Akteure die Möglichkeit einer Existenzsicherung bieten.

Resilienz ist aktuell ein weit verbreitetes Schlagwort. Österreich versucht, seine Infrastruktur auf unterschiedliche Arten abzusichern. Es gilt, ein (weiteres) Blackout unserer digital-sozialen Infrastruktur zu vermeiden.

Foto von Shubham Dhage auf Unsplash