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Statt einer weißen Titelseite: eine andere Art von Werbung

Am 3. Mai erschienen Österreichs Tageszeitungen mit weißen Titelseiten. Man wollte aufzeigen, dass private Medien verstärkt in Bedrängnis geraten. Der ORF wird als zunehmende Bedrohung wahrgenommen, weil die Werbeerlöse bei Österreichs Medien sinken. Aber ist wirklich der ORF das Problem?

Martin Kotynek vom Standard lieferte die Antwort: Google und Facebook machen mittlerweile die Hälfte des österreichischen Werbemarktes aus. Der Werbekuchen für Österreichs Medien wird also insgesamt kleiner, Verteilungsfragen rücken in den Vordergrund.

Geschäftsmodell Verhaltensdaten

Die Situation am Werbemarkt erfordert Verständnis für digitale Geschäftsmodelle. Große Technologieplattformen versprechen ihren Kundinnen und Kunden, ganz spezifische Zielgruppen mit einer an die Gruppe angepassten Botschaft zu erreichen. Dafür werden permanent Verhaltensdaten der Nutzerinnen und Nutzer gesammelt und umfassende Profile erstellt (Stichwort: Mikrotargeting).

Diese „innovative“ Vorgehensweise stößt spätestens seit dem Skandal um Cambridge Analytica auf wachsende Kritik. Filterblasen oder sich viral verbreitendende Falschinformationen bauen ebenfalls auf der Verwertung von Verhaltensdaten auf. Währenddessen bleibt für Unternehmen intransparent, ob die versprochenen Zielgruppen tatsächlich erreicht werden, wie z.B. der US-Autor Tim Hwang kritisiert.

Kontextbasierte Werbung als Alternative

Verhaltensdaten als Grundlage für Werbung sind jedoch nicht alternativlos: Als der öffentlich-rechtliche Rundfunk der Niederlande 2020 beschloss, darauf zu verzichten und stattdessen auf kontextbasierte Werbung zu setzen, konnte der Werbeumsatz gesteigert werden. Der Vorteil für eigenständige Medien: Werbeumsätze müssen nicht mit digitalen Plattformen geteilt werden.

Ein weiterer Vorteil: Personifizierte Werbung wird häufig negativ wahrgenommen, z.B. wenn Nutzerinnen und Nutzer einmal kurz angesehene Produkte tagelang durch das gesamte Internet verfolgen. Seit 2021 haben iPhone-Besitzer die Möglichkeit, Apps die Auswertung von Verhaltensdaten zu untersagen – die Mehrheit macht davon Gebrauch.

Großes Potenzial für Österreich

Dennoch breitet sich auf Verhaltensdaten basierende Werbung, maßgeblich getrieben von globalen Technologieplattformen, weiterhin aus. Sofern keine Trendumkehr erfolgt, kann auch in Zukunft davon ausgegangen werden, dass Österreichs Anteil am Werbekuchen sich daher weiter verkleinert.

Das muss aber nicht der Fall sein. Österreich kann hier gegensteuern, z.B. mit der gesetzlichen Einschränkung invasiver, verhaltensbezogener Werbung. Durch den Digital Markets Act werden das Sammeln und die Auswertung der Verhaltensdaten von Kindern bereits verboten. Dies könnte auf nationaler Ebene ausgeweitet werden.

Eine solche Einschränkung würde nicht nur für fairere Wettbewerbsbedingungen für österreichische Medien am Werbemarkt sorgen, sondern gleichzeitig den Schutz personenbezogener Daten fördern. In Verbindung mit der bestehenden Ablehnung der Chatkontrolle und im Einklang mit Max Schrems und seiner Organisation noyb könnte Österreich europaweit eine Vorreiterrolle übernehmen.

Für eine solche Vorreiterrolle braucht es politischen Mut für den potenziellen Konflikt mit globalen Technologiekonzernen. Für Politik, ORF und Medien könnte das aber ein erfolgsversprechender Schritt sein – und eine kooperative Alternative zum laufenden innerösterreichischen Kampf um die Stücke eines schrumpfenden Werbekuchens.

Foto von Towfiqu barbhuiya auf Unsplash

Personalisierungsschlussstrich

noyb.eu, die von Max Schrems gegründete und sehr unterstützenswerte Datenschutz-NGO, hat ein Tool gebastelt, mit dem man Facebook/Meta mitteilen kann, dass personenbezogene Daten nicht für Werbezwecke verwendet werden sollen:

https://meta-out.noyb.eu/

Verhaltensdatennutzungsreduktion

Max Schrems und NOYB sind wesentliche Player, was die (sehr wichtige) Durchsetzung von Datenschutz in Europa betrifft.

Im Jänner 2023 wird sich zeigen, ob eine von ihnen initiierte Klage dazu führt, dass Facebook/Meta europäischen NutzerInnen erlauben muss, personalisierte (i.e. auf gesammelten Nutzungsdaten aufbauende) Werbung abzuschalten. Verbunden ist das auch mit einer potenziell sehr hohen Strafe, falls entschieden wird, dass die Nutzung der Verhaltensdaten – und damit ein wesentlicher Teil des Geschäftsmodells von Facebook, Instagram & Co. – in den letzten Jahren illegal war.

Das ist/wird sehr spannend:

https://noyb.eu/en/noyb-win-personalized-ads-facebook-instagram-and-whatsapp-declared-illegal

cloud out

Als CTO eines Softwareherstellers (37signals, Unternehmen hinter Basecamp & HEY) hat David Heinemeier Hansson seine Gedanken zu Cloud Computing in einem Blog-Post zusammengefasst.

Er beschreibt, wann die Nutzung von Cloud Services aus seiner Sicht sinnvoll ist (simple Applikationen mit niedrigem Traffic, Applikationen mit stark schwankendem Traffic) und wann und warum nicht (Kosten, Zentralisierung, Abhängigkeiten).

Lesenswert:

https://world.hey.com/dhh/why-we-re-leaving-the-cloud-654b47e0

Use Signal

Signal ist nicht nur eine sehr sinnvolle (und mittlerweile auch in 🇦🇹 verbreitete) Alternative zu WhatsApp und Co., sondern steht auch für ein Internet ohne konstantes Tracking und die ständige Verwertung unserer Verhaltensdaten. Signal setzt auf Verschlüsselung und Privatsphäre, auch Metadaten (z.B., wer mit wem kommuniziert, wer gemeinsam in einer Gruppe aktiv ist…) werden nicht erhoben und analysiert.

Meredith Whittaker ist die Präsidentin von Signal und gibt in diesem Podcast-Interview einen Einblick in die Philosophie hinter der Software. tl;dr: Use Signal.

https://www.theverge.com/23409716/signal-encryption-messaging-sms-meredith-whittaker-imessage-whatsapp-china

Web3

Ein sehr umfangreicher Artikel, der Kryptowährungen, Web3, Blockchains, NFTs/DAOs etc. zuerst verständlich erklärt und anschließend kritisch analysiert.

tl;dr: Es gibt wichtige Beweggründe für eine Dezentralisierung des Internets. Unter „Web3“ werden verschiedene Ideen und Konzepte zusammengefasst. Viele davon sind aus Security- und Effizienz-Gründen nicht praktikabel und aus klima- und gesellschaftspolitischer Sicht sehr problematisch.

https://tante.cc/2021/12/17/the-third-web/

Über Facebook

Jan Böhmermann hat eine Sendung über Facebook gemacht: https://www.zdf.de/comedy/zdf-magazin-royale/zdf-magazin-royale-vom-10-dezember-2021-100.html

Die ist demokratiepolitisch sehenswert.

Zusätzlich hat er dann Max Schrems eingeladen: https://www.zdf.de/comedy/zdf-magazin-royale/interview-max-schrems-104.html

Der wiederum ist unterstützenswert. Das kann man auf zwei konkrete Arten tun:

1) Daten spenden, wenn man das „Who Targets Me“-Addon während des deutschen Wahlkampfs installiert hatte und/oder

2) NOYB-Mitglied werden, wenn man eine Zukunft unterstützen möchte, in der Privatsphäre und Datenschutz eine wichtige Rolle spielen – mehr dazu hier: https://noyb.eu/en/support-us

Nebenwirkungen

Jonathan Haidt schreibt über die reale Gefahr von Social Media für Mädchen im Teenager-Alter.

tl;dr: Es ist sehr wahrscheinlich, dass v.a. Facebook & Instagram ernsthafte psychische Schäden bei jungen Mädchen verursachen. Um hier gegenzusteuern braucht es regulatorische Maßnahmen (z.B. ein ernsthaftes Mindestalter), den Zugriff der Wissenschaft auf Nutzerdaten und Schulen, die aktiv gegensteuern (z.B. Policies für Eltern).

https://www.theatlantic.com/ideas/archive/2021/11/facebooks-dangerous-experiment-teen-girls/620767/