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Produktpasspolitik

In meiner beruflichen Rolle habe ich in einem kurzen Kommentar die Mitwirkungsmöglichkeiten rund um den „Digitalen Produktpass“ beschrieben:

Digitaler Produktpass: Europäische Industriepolitik ist mitgestaltbar.

Vom AI Act bis hin zum viel diskutierten Renaturierungsgesetz: die letzte Amtsperiode der europäischen Kommission war geprägt von einer Vielzahl an Regulierungen. Zähe Verhandlungen und hart errungene Kompromisse waren dabei ein ständiger Begleiter.

Ursula von der Leyen leitet nun für weitere fünf Jahre die EU-Kommission. Es ist trotz veränderter geopolitischer Lage davon auszugehen, dass die Ergebnisse der letzten fünf Jahre von der neuen alten Kommissionspräsidentin wohl nicht über Bord geworfen werden. Im Gegenteil: viele der beschlossenen Rechtsakte kommen demnächst erst zur Anwendung.

Für Österreichs wichtige produzierende Industrie sind z.B. das Datengesetz, die Lieferkettenrichtlinie oder die neue Ökodesignverordnung hochrelevant. Als Rechtsakte sind sie alle bereits in Kraft, konkrete Verpflichtungen für Unternehmen werden in den kommenden Jahren Schritt für Schritt erarbeitet und eingeführt. Sehr viel ist hier noch offen.

Ökodesignverordnung und Digitaler Produktpass

Beispielsweise zielt die neue Ökodesignverordnung (Ecodesign for Sustainable Products Regulation, ESPR) darauf ab, europäische Produkte nachhaltiger zu gestalten und die vielbeschworene Kreislaufwirtschaft in der Praxis umzusetzen. Batterien, Textilien, Baustoffe, etc. – unterschiedliche Produktkategorien sollen mit Hilfe der ESPR umweltfreundlicher werden. Über Jahre wurde verhandelt, am 18. Juli ist die ESPR in Kraft getreten. Ihre volle Gültigkeit entfaltet die Regelung jedoch erst in den nächsten Jahren.

Ein zentrales Element für die Umsetzung der ESPR wird der Digitale Produktpass (DPP) bilden. Mit dessen Hilfe sollen über den Lebenszyklus eines Produkts relevante Daten ausgetauscht werden, vom Hersteller bis zum Entsorgungsunternehmen. Im DPP verschiedener Produkte – eines Handyakkus, eines Pullovers, eines Kühlschranks etc. – sollen z.B. Informationen zu den verarbeiteten Materialien gespeichert werden und langfristig z.B. Reparatur- oder Recycling-Unternehmen die Verwertung der Bestandteile erleichtern. 2027 sind die ersten verpflichtenden Produktpässe geplant.

Um diese Zielsetzung einzuhalten, sind noch viele Schritte notwendig. Einerseits muss festgelegt werden, wie der Digitale Produktpass technisch umgesetzt wird. Chips, Barcodes oder Formate für die Datenspeicherung werden eine wichtige Rolle spielen. Mit diesen Themen beschäftigt sich derzeit die europäische Standardisierung bei CEN-CENELEC. Andererseits muss für die sehr verschiedenen Produktkategorien entschieden werden, welche Daten wie erfasst werden sollen. Bei Baustoffen sind andere Kriterien oder Speichermedien relevant als bei Elektrogeräten.

Spielraum bei Details, Mitwirkung erwünscht

Doch was ist die Grundlage für die Daten im DPP – wie kommen EU-Beamte zu Informationen?

Zum einen können Vertreterinnen aus Industrie, Wissenschaft oder Verbänden in branchenspezifischen Workshops ihre Wünsche, Bedenken und Überlegungen einbringen. Aktuell finden Workshops zu Eisen- und Stahl-Produkten sowie zu Textilien statt. Zum anderen wird in Kürze das so genannte Ökodesign Forum als Expertengruppe der Kommission aufgesetzt. Für dieses Ökodesign Forum können sich interessierte Personen bewerben, um die produktgruppenspezifischen Eigenheiten des DPP mitzugestalten.

Durch Interaktion mit der EU-Kommission können Unternehmen, wissenschaftliche Einrichtungen, NGOs etc. den DPP mitgestalten und sicherstellen, dass die Umsetzung möglichst praktikabel erfolgt. Es ist im Interesse der Politik, dass Regularien nicht als belastende Bürokratie empfunden werden. Im Gegenteil: im Optimalfall sollen Regularien wie die ESPR der europäischen Wirtschaft neue Chancen und Möglichkeiten bieten.

Europäische Regularien brechen nicht sintflutartig über die Wirtschaft herein. Österreichische Stakeholder können die europäische Industriepolitik mitgestalten, die Umsetzung der ESPR zeigt das beispielhaft. Kammern, Verbände und wissenschaftliche Einrichtungen bieten Unterstützung für interessierte Firmen. Diese müssen sich nur einbringen.

Elektrifizierungsverwertung

Die Elektrifizierung unserer Wirtschaft braucht Rohstoffe, deren Gewinnung und Verfügbarkeit wird zunehmend ein wirtschaftspolitisch heißes Thema.

Ein spannender Einblick in das Thema Bergbau, verschiedene Metalle und regionale Vorkommen und in die Unternehmen, die den Abbau möglich machen und durchführen:

https://www.thedriftmag.com/a-good-prospect/

Straßenbaudiät

Ich habe wieder einmal einen Leserbrief für die Unterkärntner Nachrichten (Nummer 1, 4. Jänner 2023) geschrieben:

mehr Straßen = mehr Verkehr

Wenn man abnehmen möchte, dann sollte man nicht mit Eis essen beginnen. Natürlich verbrennt man Kalorien durch das Heben des Eislöffels zum Mund. Diese gleichen aber nicht das Eis aus, das man dadurch isst. Je mehr Eis man isst, desto mehr nimmt man zu.

In Wolfsberg beschwert man sich über die vorweihnachtlichen Staus, v.a. im Süden der Stadt. Als Lösung des Problems wird eine Verbreiterung der Straßen in den Raum gestellt. Zahllose nationale und internationale Beispiele zeigen aber: je mehr Straßen man baut, desto mehr Verkehr entsteht.

Die Alternativen sind bekannt: Der öffentliche Verkehr muss ausgebaut werden. Busse mit kurzen Intervallen könnten in Kombination mit „Park & Ride“-Anlagen das Einkaufen erleichtern und den Verkehr reduzieren. Für das Zufußgehen und das Radfahren müssen ebenfalls Anreize geschaffen werden. Dazu gehört z.B. ein durchgängiger Radweg mit Vorrang für Radfahrer und gesenkten Gehsteigkanten.

Es braucht auch kurzfristige Lösungen. Hier könnte man z.B. mit Hinweistafeln zur richtigen Nutzung von Kreisverkehren arbeiten. Mir wurde in einer Wolfsberger Fahrschule leider noch beigebracht, dass man bei der Einfahrt in einen Kreisverkehr im Zweifelsfall am besten stehen bleibt. Egal welche Maßnahmen gesetzt werden: ein Straßenausbau ist mit Sicherheit nicht die Lösung des Problems. Mehr Eis essen wird auch im neuen Jahr keine gute Idee für eine Diät sein.

Verkehrsvergrößerungsambitionen

Der „Rannersdorfer Michael Fälbl“ ärgert sich über neue Straßen…

https://www.noen.at/schwechat/strassenprojekt-grundkaeufe-fuer-spange-kledering-in-verhandlung-schwechat-spange-kledering-michael-faelbl-print-344321778

Reparaturliebe

Ein sehr lesenswertes Plädoyer für die Wartung: warum Langlebigkeit und das Thema Reparatur mehr Aufmerksamkeit benötigen.

https://www.noemamag.com/the-disappearing-art-of-maintenance/

In dem Zusammenhang in 🇦🇹 gut und wichtig: https://www.reparaturbonus.at/

Weniger Verbauung braucht konkrete Anreize für Gemeinden

In Österreich wird zu viel Fläche versiegelt. Um das zu ändern, braucht es Investitionen und Perspektiven für ländliche Gemeinden.

Es ist schon fast eine österreichische Tradition: Auf Veröffentlichungen des Umweltbundesamtes oder nach Sendungen wie „Am Schauplatz“ folgen ein kurzer, medialer Aufschrei und politische Willensbekundungen, dass die bei 11,5 Hektar pro Tag liegende Verbauung des Landes reduziert werden soll.

Manchmal mischen sich konkretere Vorschläge darunter, wie letztes Jahr die Forderung der Neos, den Gemeinden die Kompetenz zur Umwidmung zu entziehen. Solche Pläne lösen dann ablehnende Reaktionen der Gemeinden aus: Man möchte sich nicht von Wien eine Bauordnung diktieren lassen.

Diese Ablehnung ist nachvollziehbar, führt jedoch zu keiner tatsächlichen Reduktion des Flächenverbrauchs. Dafür braucht es ein Umdenken und konkrete Anreize für Gemeinden.

Bürgermeister sind keine bauwütigen Umweltzerstörer

Woran liegt es, dass trotz anhaltender Kritik Felder für neue Siedlungen und Almen für Chalet-Dörfer weichen müssen? Dazu muss man sich in die Lage kleiner Gemeinden versetzen.

Einerseits prägt die Abwanderung junger Menschen die Realität vieler Gemeinden. Günstige Wohnmöglichkeiten durch neue Siedlungen und zusätzliche Arbeitsplätze, häufig im Tourismus, sind für Bürgermeister greifbare Maßnahmen, mit denen sie aktiv gegensteuern können.

Andererseits gibt es finanzielle Gründe für die anhaltende Verbauung: Die wichtigsten Einnahmequellen von Gemeinden sind der von der Einwohnerzahl abhängige Anteil an Bundeserträgen und die Kommunalsteuer durch lokale Betriebe. Bei den Ausgaben müssen hohe Fixkosten gedeckt werden – man denke an Kanalgebühren, die Schulerhaltung oder Pensionszahlungen.

Kurzgefasst: Je mehr Betriebe und je mehr Menschen, desto mehr finanzieller Handlungsspielraum. Bei knappen Budgets ist jeder zusätzliche Euro für die Gemeindefinanzen wichtig. Mit der Verbauung von Land wollen Bürgermeister nicht die Umwelt zerstören, sondern berufliche und finanzielle Möglichkeiten für ihre Bürger und Gemeinden schaffen.

Investitionen und Unterstützung für eine Trendumkehr

Um die Verbauung in Österreich zu reduzieren, benötigt es somit Maßnahmen, die Gemeinden eine Zukunftsperspektive ermöglichen. Wenn uns der Erhalt der Natur wichtig ist, dann müssen auch jene Menschen davon profitieren, die in deren Umgebung leben.

Dafür braucht es ein langfristiges Anreiz-System für Gemeinden. Gemeinden könnten beispielsweise eine jährlich steigende Investitionsprämie vom Bund erhalten, wenn kein Grünland verbaut oder zu Bauland umgewidmet wird. Diese Gelder könnten dann für die Verdichtung oder die Revitalisierung von Ortskernen verwendet werden.

Mittelfristig brauchen Gemeinden finanziellen Spielraum für nachhaltige Investitionen, wie die Schaffung von leistbarem Wohnraum oder den Ausbau von Glasfasernetzen und erneuerbaren Energien.

Kurzfristig benötigen Gemeinden dringend Hilfe beim Abschluss von Verträgen: Investoren ziehen nicht selten getätigte Zusagen zurück, und der geplante Hotelbetrieb wird zu Zweitwohnsitzen umfunktioniert. Bürgermeister brauchen hier kostenlose Unterstützung von Profis.

Gesellschaftlicher Schulterschluss und Kooperation

Um die Verbauung zu reduzieren, braucht es konkrete Anreize für Gemeinden (z.B. durch einen Klimaschutzfonds) und eine langfristige Vision, die Planungssicherheit schafft. Es ist sonst schwer nachvollziehbar, dass es gut und wirtschaftlich sinnvoll sein kann, wenn mit der Natur nichts passiert – und sie einfach Natur bleibt.

Eine solche Vision setzt parteiübergreifende Kooperation und die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Land voraus. Damit ganz Österreich auch in Zukunft noch lebens- und sehenswert ist.

Fotocredit: Andreas Weilguny auf Unsplash

Klimakrisenplanspiel

In dem kleinen Online-Spiel „Half Earth Socialism“ muss man versuchen als globale Regierung die Klimakrise zu stoppen, ohne dabei die Unterstützung der Wählerinnen und Wähler zu verlieren.

Ein schön gemachtes und unterhaltsames Spiel, das aufzeigt, wie schwierig es ist, eine komplexe politische Herausforderung zu bewältigen:

https://play.half.earth/

Flugschambedarf

Ich mag ja den Falter als Zeitung, weil sie auch Themen aufgreift, die für die eigene Zielgruppe unangenehm sind.

Mit Sätzen wie „Für das Klima ist Fliegen das Schädlichste, was ein Mensch tun kann.“ gehört dieses Interview mit Sicherheit genau zu diesen Themen.

Lesenswert:

https://www.falter.at/zeitung/20220607/fliegen-sollte-nicht-normal-sein