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Wahlprozesswünsche

Der Österreichischer Gemeindebund fordert E-Voting in Österreich.

Zum Thema elektronische Wahl haben 20 Security-Expertinnen und -Experten – darunter z.B. Andrew Appel und Bruce Schneier – im Frühjahr diesen Jahres eine Empfehlung verfasst.

tl;dr: E-Voting kann Vertrauen senken und Security-Probleme verursachen. Besser Papier.

Zwei Auszüge daraus:

Technology introduces the means of efficient tabulation, but also introduces a manifold increase in complexity and sophistication of the process. This places the understanding of the process beyond the average person’s understanding, which can foster distrust. It also opens the door to human or machine error, as well as exploitation by sophisticated and malicious actors.

Hand-marked paper ballots should be the primary means of recording votes. Each polling-place voter, except those who request to use a BMD because they have difficulty marking a paper ballot by hand, should vote by marking by hand an optically scannable paper ballot. Ballot Marking Devices used as assistive devices should print a paper ballot identical in size and format to hand-marked paper ballots.

Verduzung

Die Presse-Journalistin Anneliese Rohrer im Falter-Interview mit Barbara Tóth anlässlich ihres 80. Geburtstages. Ein lesenswerter Einblick zur Schnittstelle Medien-Politik und zu Journalismus in Österreich: https://www.falter.at/zeitung/20240924/sagt-einfach-nein-danke-wir-bleiben-per-sie

Was ich nicht teile, ist ihre Ansicht zum Siezen/Duzen. In Schweden gab es mit der „Du-Reform“ einen sprachlichen Veränderungsprozess, der sich im IT- oder Industriebereich seit Jahren auch schon in Österreich abspielt.
In der Verwaltung und der Politik mag das vielfach noch anders sein, durch den Generationenwechsel ändert sich das aber ebenfalls.

Statt einem Rückzug ins Formelle könnte man nach schwedischem Vorbild das allgemeine Du auch proaktiv aufgreifen, z.B. in einer Behörde oder einem Ministerium. Wunschdenken ☺️

Wirtschaftspolitiksichtweisen

Inhaltlich tiefergehende Diskussionen sind in diesem Wahlkampf eher selten, insbesondere zu wirtschaftspolitischen Themen.

Zum Glück gibt es Ausnahmen.

Ein hörenswertes Gespräch zwischen Nikolaus Kowall und Sepp Schellhorn im Falter Radio: https://www.falter.at/falter/radio/66e99512075fcb2b8fb9aa03/wirtschaft-im-wahlkampf-staat-versus-privat-1220

Verwaltungsverbesserungsambitionen

Mit unserer „Initiative Bessere Verwaltung“ haben wir den österreichischen Parteien Fragen zur Entpolitisierung der Bundesverwaltung geschickt. Nun haben wir die Antworten bekommen und zusammengefasst.

Mediale Berichte dazu finden sich z.B. in der Presse, der Kleinen Zeitung, in den Salzburger Nachrichten oder in der Neuen Vorarlberger Tageszeitung.

Wir brauchen Smartphone-freie Schulen und ein Verbot sozialer Medien für Kinder!

Manchmal hat man in Österreich das Gefühl, dass Digitalisierung als Naturgewalt wahrgenommen wird, die unaufhaltsam über uns hereinbricht. Das ist falsch, denn alles Digitale ist menschgemacht und Menschen halten sich zumeist an Gesetze oder gesellschaftliche Normen.

Trotzdem diskutieren wir nur selten darüber, wie wir Digitalisierung gestalten möchten. Häufig landet man beim „der Zug ist abgefahren“-Argument: Tun Smartphones Kindern gut? Sollten 10-Jährige Accounts bei sozialen Medien haben? Wollen wir, dass unser Verhalten permanent dokumentiert und für Werbung verwendet wird? Wer solche Fragen stellt, der hört schnell, dass man da nichts machen könne – Zuckerberg, Cook & Co. seien schließlich weit weg, man müsse lernen, die neuen Gegebenheiten zu akzeptieren.

In den USA, in Großbritannien und in immer mehr Teilen der Welt sieht man das zunehmend anders. Derzeit diskutiert man in Übersee intensiv das neue Buch („The Anxious Generation“) des amerikanischen Psychologieprofessors Jonathan Haidt. Seine Kernthesen: Soziale Medien und Smartphones haben global Kindheiten zum Schlechten verändert. Sie sind eine Ursache für Angststörungen und Depressionen. Sie reduzieren die Konzentrationsfähigkeit von Jugendlichen. Sie senken das Selbstbewusstsein junger Mädchen, Burschen kapseln sich vermehrt von ihrer Umgebung ab und verlieren den Anschluss.

In der Kindheit entstehen Werte, Weltbilder und Interessen. Es entstehen lebenslange Freundschaften und Leidenschaften, z.B. für Sport oder Musik. Kinder lernen noch akzentfrei Sprachen, auch Dialekte – ihnen gelingt die gesellschaftliche Integration am leichtesten. Haidt argumentiert, dass Smartphones und soziale Medien Kinder zwischen 9 und 15 vor allem negativ prägen. Werbefinanzierte Influencer ersetzen lokale Vorbilder, vom Glücksspiel inspirierte Apps ersetzen Hobbies und physische Aktivitäten mit Freundinnen und Freunden.

Haidt fordert daher ein Verbot sozialer Medien mit ihren aufwühlenden und Aufmerksamkeit dominierenden Algorithmen für unter 16-Jährige, ein Verbot von Smartphones bis zum Ende der Mittelschule und Smartphone-freie Schulen.

Haidts Thesen sind nicht unumstritten, seine Forderungen werden aber intensiv diskutiert: In Florida gibt es einen Gesetzesvorschlag zum Verbot sozialer Medien, in Großbritannien fordern 75.000 Eltern ein Smartphone-Verbot, jeweils für Unter-16-Jährige. In Frankreich arbeitet man an einem gesetzlichen Mindestalter für Social Media. Neuseeland verbietet seit kurzem Smartphones in Schulen. Vielerorts handelt die Politik bereits oder wird, insbesondere von Eltern, vermehrt dazu aufgefordert.

Auch österreichische Eltern sind konstant damit konfrontiert, einen passenden Umgang mit Technologie zu finden. Kritiker argumentieren, dass Eltern selbst entscheiden sollen, wann ihre Kinder Smartphones bekommen oder auf sozialen Medien aktiv werden dürfen. Kinder wollen aber, was andere haben – ein Smartphone oder Accounts für soziale Medien werden früh zu absoluten Wunschobjekten. Geben einzelne Eltern aus verständlichen Gründen nach, dann entsteht massiver sozialer Druck für andere. So landen wir in einer belastenden Situation für zahlreiche Eltern, potenziell zum Nachteil vieler Kinder. Es liegt ein soziales Dilemma vor. Für dessen Lösung braucht es die Politik. Das ist eine Frage des Kinderschutzes.

Wir sollten Verbote für Smartphones und soziale Medien sowie Smartphone-freie Schulen politisch diskutieren. Die österreichischen Parteien sollten das Thema aufgreifen, man könnte auch einen Bürgerrat zur gemeinsamen Entscheidungsfindung einberufen. Es gibt in Österreich Schulen, die Smartphones in den Klassen und auch Pausen verbieten, Lehrwerkstätten, in denen sie tabu sind. Hier sollte die Politik unterstützen – z.B. durch evaluierbare Pilotprojekte, konkret auch durch die Anschaffung von Smartphone-Spinds. Die Politik sollte auch untersuchen lassen, wie eine Datenschutz-konforme Altersüberprüfung für soziale Medien aussehen kann – wir verfügen über europaweit angesehene Experten zu Datenschutz und Privatsphäre, die mit Sicherheit bereit wären, ihre Expertise beizusteuern.

Es geht nicht darum, die Digitalisierung aufzuhalten. Sie vereinfacht vielfach unser Leben, unsere Wirtschaft bleibt mit ihr wettbewerbsfähig. Es geht auch nicht darum, Technologie aus dem Leben unserer Kinder zu verbannen – Laptops im Wohnzimmer, digitaler Kompetenzaufbau im Schulunterricht und das Ansehen von Videos sind anders zu bewerten als omnipräsente Smartphones und die Erstellung personalisierter Profile. Es geht darum, zu entscheiden, welche Aspekte der Digitalisierung wir als Gesellschaft für unsere Kinder wollen – und welche nicht. Diskutieren wir das im Wahlkampf-Jahr 2024!

zuerst veröffentlicht auf falter.at

Foto von charlesdeluvio auf Unsplash

Verwaltungsgesprächsinhalte

Beate Meinl-Reisinger spricht mit Christian Kern über Österreichs Zukunft.

Ab Minute 32 unterhalten sich die beiden über die Bundesverwaltung. Beate Meinl-Reisinger verweist dabei auf unsere Initiative Bessere Verwaltung.

Das ganze Gespräch ist hörenswert:

Investigativkabarett

Der Journalist Michael Nikbakhsh führt ein Gespräch mit der ehemaligen Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky.

Eine wirklich hörenswerte Mischung aus Information & Kabarett, u.a. zum Umgang von Politikerinnen und Politikern mit Medien, zu politischen Kabinetten und zur Zusammenarbeit mit anderen Parteien:

Swiftsignale

In Mexiko behaupten Politiker von sich, sie seien Fans von BTS oder Taylor Swift, um deren massive Anhängerschaften für Wahlen zu mobilisieren: https://restofworld.org/2023/mexico-politician-bts-taylor-swift-fandom/

Der Falter hat in seiner aktuellen Ausgabe Swift am Cover und startet einen eigenen Newsletter zu ihr: https://www.falter.at/zeitung/20240227/taylor-swift-miss-messias-ihre-welt-und-wien

Man darf gespannt sein, ob bzw. welche österreichischen Politikerinnen und Politiker sich im Wahljahr 2024 noch als Swifties outen.

Künstliche Vertrauensfragen

Der Security- und Kryptographie-Experte Bruce Schneier hat in einem Vortrag an der Harvard Kennedy School die Wichtigkeit von Vertrauen in Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz erörtert. Meine Zusammenfassung:

Vertrauen ist die Grundlage für eine funktionierende Gesellschaft. Es gibt zwei verschiedene Arten von Vertrauen, zwischenmenschliches und soziales Vertrauen.

  • Zwischenmenschliches Vertrauen basiert auf der Beziehung zwischen Menschen, die sich kennen.
  • Soziales Vertrauen basiert auf Moral, Reputation, Gesetzen und Security-Technologien – diese schränken unser Verhalten ein und machen es vertrauenswürdig. Gesetze und Technologien sorgen für ein höheres soziales Vertrauen und sind skalierbar. Je komplexer eine Gesellschaft, desto wichtiger sind Gesetze und Technologien aufgrund ihrer Skalierbarkeit.

Zwischenmenschliches und soziales Vertrauen werden gerne verwechselt. Das passiert häufig in Zusammenhang mit Unternehmen, die wir oft als „Personen“ wahrnehmen, z.B. bei Marken, Social Media Accounts, Maskottchen etc. Die Verwechslung der zwei Vertrauensarten wird durch KI zunehmen.

KI-Systeme werden als menschlich wahrgenommen, obwohl sie nur Dienstleistungen sind. Im Optimalfall sind diese Dienstleistungen hilfreich, wahrscheinlicher ist aber, dass KI-Systeme ihre Nutzer:innen ausspionieren und manipulieren wollen. Überwachung und Manipulation sind schließlich das Geschäftsmodell des Internets.

KI wird so entwickelt werden, dass sie möglichst vertrauenserweckend wirkt. Dadurch wird die Verwechslungsgefahr zwischen zwischenmenschlichem und sozialen Vertrauen erhöht. Das ist so gewollt, denn es ist lukrativ und das menschliche Antlitz der KI verschleiert den einseitigen Einfluss der Unternehmen, die die KI betreiben.

Unternehmen werden die durch die Verwechslung von zwischenmenschlichem mit sozialem Vertrauen entstandene Verwirrung für ihren wirtschaftlichen Erfolg nutzen. Das tun sie auch heute schon, aber rund um KI wird dies zunehmen, denn die Verwendung natürlicher Sprache durch KI wird noch schneller scheinbares zwischenmenschliches Vertrauen kreieren. Außerdem werden mit Daten angereicherte digitale Assistent:innen eine größere Intimität ermöglichen.

Die negativen Konsequenzen dieser Verwechselung können sehr unterschiedlich sein – von versteckter Ausnutzung, über Falschinformationen bis hin zu illegalen Aktivitäten. Deswegen braucht es vertrauenswürdige KI – KI, deren Limitationen man kennt, deren Training man versteht, deren Biases man sich bewusst ist und korrigieren kann, deren Ziele man kennt.

Vertrauenswürdige KI kann nur durch politische Regularien entstehen. Regierungen müssen für Vertrauen in der Gesellschaft sorgen, sie müssen daher durch Regulierung das richtige Umfeld für vertrauenswürdige KI schaffen. Dazu gehören Transparenzgesetze (wann wird KI eingesetzt, wie wird sie trainiert, welche Biases und Tendenzen gibt es), Sicherheitsbestimmungen (wann darf KI eingesetzt werden) und Strafen.

Regulierung muss die KI-kontrollierenden und -nutzenden Unternehmen betreffen, nicht die KI selbst. Am Ende gibt es derzeit noch für jeden KI-Einsatz Menschen, die diesen steuern und dafür verantwortlich sind. Eine Daten-Treuhänderschaft mit zusätzlichen Verpflichtungen kann für generative KI ein wichtiges Instrument sein. Außerdem braucht es „public AI models„, die von der und für die Öffentlichkeit entwicklt werden.

Regierungen müssen rund um KI soziales Vertrauen schaffen:

We can never make AI into our friends. But we can make them into trustworthy services—agents and not double agents. But only if government mandates it. We can put limits on surveillance capitalism. But only if government mandates it.