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Weniger Verbauung braucht konkrete Anreize für Gemeinden

In Österreich wird zu viel Fläche versiegelt. Um das zu ändern, braucht es Investitionen und Perspektiven für ländliche Gemeinden.

Es ist schon fast eine österreichische Tradition: Auf Veröffentlichungen des Umweltbundesamtes oder nach Sendungen wie „Am Schauplatz“ folgen ein kurzer, medialer Aufschrei und politische Willensbekundungen, dass die bei 11,5 Hektar pro Tag liegende Verbauung des Landes reduziert werden soll.

Manchmal mischen sich konkretere Vorschläge darunter, wie letztes Jahr die Forderung der Neos, den Gemeinden die Kompetenz zur Umwidmung zu entziehen. Solche Pläne lösen dann ablehnende Reaktionen der Gemeinden aus: Man möchte sich nicht von Wien eine Bauordnung diktieren lassen.

Diese Ablehnung ist nachvollziehbar, führt jedoch zu keiner tatsächlichen Reduktion des Flächenverbrauchs. Dafür braucht es ein Umdenken und konkrete Anreize für Gemeinden.

Bürgermeister sind keine bauwütigen Umweltzerstörer

Woran liegt es, dass trotz anhaltender Kritik Felder für neue Siedlungen und Almen für Chalet-Dörfer weichen müssen? Dazu muss man sich in die Lage kleiner Gemeinden versetzen.

Einerseits prägt die Abwanderung junger Menschen die Realität vieler Gemeinden. Günstige Wohnmöglichkeiten durch neue Siedlungen und zusätzliche Arbeitsplätze, häufig im Tourismus, sind für Bürgermeister greifbare Maßnahmen, mit denen sie aktiv gegensteuern können.

Andererseits gibt es finanzielle Gründe für die anhaltende Verbauung: Die wichtigsten Einnahmequellen von Gemeinden sind der von der Einwohnerzahl abhängige Anteil an Bundeserträgen und die Kommunalsteuer durch lokale Betriebe. Bei den Ausgaben müssen hohe Fixkosten gedeckt werden – man denke an Kanalgebühren, die Schulerhaltung oder Pensionszahlungen.

Kurzgefasst: Je mehr Betriebe und je mehr Menschen, desto mehr finanzieller Handlungsspielraum. Bei knappen Budgets ist jeder zusätzliche Euro für die Gemeindefinanzen wichtig. Mit der Verbauung von Land wollen Bürgermeister nicht die Umwelt zerstören, sondern berufliche und finanzielle Möglichkeiten für ihre Bürger und Gemeinden schaffen.

Investitionen und Unterstützung für eine Trendumkehr

Um die Verbauung in Österreich zu reduzieren, benötigt es somit Maßnahmen, die Gemeinden eine Zukunftsperspektive ermöglichen. Wenn uns der Erhalt der Natur wichtig ist, dann müssen auch jene Menschen davon profitieren, die in deren Umgebung leben.

Dafür braucht es ein langfristiges Anreiz-System für Gemeinden. Gemeinden könnten beispielsweise eine jährlich steigende Investitionsprämie vom Bund erhalten, wenn kein Grünland verbaut oder zu Bauland umgewidmet wird. Diese Gelder könnten dann für die Verdichtung oder die Revitalisierung von Ortskernen verwendet werden.

Mittelfristig brauchen Gemeinden finanziellen Spielraum für nachhaltige Investitionen, wie die Schaffung von leistbarem Wohnraum oder den Ausbau von Glasfasernetzen und erneuerbaren Energien.

Kurzfristig benötigen Gemeinden dringend Hilfe beim Abschluss von Verträgen: Investoren ziehen nicht selten getätigte Zusagen zurück, und der geplante Hotelbetrieb wird zu Zweitwohnsitzen umfunktioniert. Bürgermeister brauchen hier kostenlose Unterstützung von Profis.

Gesellschaftlicher Schulterschluss und Kooperation

Um die Verbauung zu reduzieren, braucht es konkrete Anreize für Gemeinden (z.B. durch einen Klimaschutzfonds) und eine langfristige Vision, die Planungssicherheit schafft. Es ist sonst schwer nachvollziehbar, dass es gut und wirtschaftlich sinnvoll sein kann, wenn mit der Natur nichts passiert – und sie einfach Natur bleibt.

Eine solche Vision setzt parteiübergreifende Kooperation und die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Land voraus. Damit ganz Österreich auch in Zukunft noch lebens- und sehenswert ist.

Fotocredit: Andreas Weilguny auf Unsplash

Verwaltungsgestaltung

Wolfgang Gratz über die Probleme der österreichischen Verwaltung: von Kabinettsgrößen und Generalsekretariaten bis hin zu den Konsequenzen politischer Einflussnahme insbesondere auf die Motivation der MitarbeiterInnen staatlicher Einrichtungen. Lesenswert:

https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/2155021-Die-hohen-Kosten-der-Banalisierung-des-Regierens.html

Lingens-Conent

Peter Michael Lingens einerseits über die Stärken und Schwächen des aktuellen Maßnahmenpakets gegen die Inflation (https://www.lingens.online/2022/06/18/geldzurueck-paket-staerken-und-schwaechen/) und andererseits über die schnell nicht mehr vorhandene Debatte über dessen Finanzierung (https://www.lingens.online/2022/06/13/die-abgewuergte-vermoegenssteuer-debatte/).

Beides lesenswert.

Klimakrisenplanspiel

In dem kleinen Online-Spiel „Half Earth Socialism“ muss man versuchen als globale Regierung die Klimakrise zu stoppen, ohne dabei die Unterstützung der Wählerinnen und Wähler zu verlieren.

Ein schön gemachtes und unterhaltsames Spiel, das aufzeigt, wie schwierig es ist, eine komplexe politische Herausforderung zu bewältigen:

https://play.half.earth/

Stimmungsbarometer

Diese Woche kann man das Antikorruptionsvolksbegehren unterstützen. Das geht online und bei jeder Gemeinde, unabhängig vom Wohnsitz ✏️

Wenn viele Menschen dieses Volksbegehren unterschreiben, dann ist das ein wichtiges Signal, um der österreichischen Regierung zu zeigen, dass Aufklärung und Transparenz für die Bevölkerung wichtig sind 🔦

Warum das notwendig ist erklären z.B. Hans Rauscher (https://www.derstandard.at/…/nur-net-kriminalisieren) oder Walter Geyer (https://www.falter.at/…/das…/_abd77b8e9f).

Mehr Infos: https://antikorruptionsbegehren.at/

Amerika in vier Perspektiven

George Packer beschreibt die unterschiedlichen Perspektiven und Einstellungen, die die heutige USA prägen: „Free America“, „Smart America“, „Real America“ und „Just America“. Der Artikel ist entsprechend US-bezogen, aber auch mit europäischer Brille sehr interessant zu lesen – das Problem des wachsenden gegenseitigen Unverständnisses zwischen gesellschaftlichen Gruppen gibt es jedenfalls auch in Europa. Lang, aber lesenswert:

https://www.theatlantic.com/magazine/archive/2021/07/george-packer-four-americas/619012/

Hons Petutschnig, persönlich

Der Petutschnig Hons weist oft sehr pointiert auf wichtige Dinge hin.

Im „Ganz offen gesagt“-Podcast reflektiert Wolfgang Feistritzer außerhalb seiner kabarettistischen Rolle über seine Tätigkeit – und Österreich, zwischen Wien und dem Maltatal.

Hörenswert: